Quiet Hiring: Chance oder Risiko fürs Employer Branding?
Unter verschiedenen Bezeichnungen wie Quiet Hiring, Internal Mobility oder Talentmobilität ist eine HR-Praktik auf dem Vormarsch, die als pragmatische Lösung für den Fachkräftemangel verstärkt angewendet wird. Laut dem Marktforschungsspezialisten Gartner wird Quiet Hiring sogar als ein Hauptarbeitstrend für das Jahr 2023 betrachtet. Dieser Begriff aus der Personalentwicklung bezieht sich darauf, die fachlichen und persönlichen Fähigkeiten eurer Mitarbeitenden gezielt weiterzuentwickeln.
Im Wesentlichen bedeutet Quiet Hiring, auf Fremdeinstellungen für anstehende Mehrarbeit zu verzichten und zusätzliche Aufgaben oder vakante Positionen intern zu besetzen. Dabei werden freie Aufgabenfelder auf bestehende Mitarbeiter:innen aufgeteilt oder interne Positionswechsel bzw. Umorientierungen angestoßen.
Der Erfolg dieser Praxis hängt stark davon ab, wie ernsthaft und transparent die Arbeitgeberseite das Konzept der "stillen Einstellung" umsetzt. Denn niemand lässt sich gerne still und heimlich mit Mehrarbeit belasten.
Als erfahrene Employer Branding Agentur können wir Ihnen helfen, Ihre interne Mobilitätsstrategie erfolgreich umzusetzen und sicherzustellen, dass sie sowohl die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden als auch die Ziele Ihres Unternehmens optimal erfüllt.
Risiken für Employer Branding durch Quiet Hiring
Die Generation der Baby-Boomer, die nach und nach in Rente geht, hinterlässt eine immer größere Lücke auf dem Arbeitsmarkt. Die demographische Entwicklung reduziert die Gesamtbevölkerung kontinuierlich – von 84 Millionen in 2023 auf voraussichtlich 81,8 Millionen in 2040 (Statistisches Bundesamt, Stand August 2023). Die neue Generation der Arbeitnehmer:innen ist zwar nicht so geburtenstark wie die vorherigen, dafür ist ihr Anspruch nach Work-Life-Balance ausgeprägter. Die Bindungsbereitschaft an den Arbeitgeber ist längst nicht so stark wie in den Generationen davor. Zwar bleiben Arbeitnehmer:innen in Deutschland durchschnittlich etwa 10 Jahre lang beim gleichen Arbeitgeber, doch wechseln insbesondere jüngere Arbeitskräfte in den Zwanzigern und frühen Dreißigern deutlich häufiger: Alle zwei bis drei Jahre suchen sie neue Herausforderungen. Wenn die Chemie im Unternehmen nicht stimmt, auch früher. Ghosting im Bewerbungsprozess ist ebenfalls keine Seltenheit und jede HR-Abteilung musste bereits Erfahrungen mit unabgesagten Bewerbungsgesprächen oder nicht angetretenen Neueinstellungen machen.
Arbeitgeber geraten also zunehmend unter Druck. Der Fachkräftemangel wird von den meisten Unternehmen als größtes Geschäftsrisiko der Zukunft eingeschätzt (Statista). Wer Talente erfolgreich angeworben hat, möchte sie halten. Quiet Hiring als Rekrutierungstrend kann dabei kontraproduktiv sein, wenn diese HR-Praktik nicht professionell und überlegt umgesetzt wird.
Sieben No-Gos beim Quiet Hiring:
- Mangelhafte Kommunikation
27 Prozent der Arbeitnehmer:innen sind verunsichert, wenn „still eingestellt“ wird und vermuten, dass ihr Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt (Monster-Umfrage). 41 Prozent nehmen ihr Unternehmen als schlecht organisiert wahr und ohne echte unternehmerische Vision. Wer den Prozess intern nicht offen anspricht, der riskiert sein Image als zukunftsfähiger Arbeitgeber zu verlieren. Und wer möchte schon bei einem Unternehmen bleiben, das er für „angezählt“ hält?
- Fehlender Hiring-Prozess
Die verbliebenen Arbeitskräfte müssen Mehrarbeit oder die Aufgaben vakanter Positionen dauerhaft übernehmen, ohne dass die HR-Abteilung oder Führungskräfte Gespräche mit ihnen geführt haben. Es gibt also weder Vertragserweiterung oder (monetären) Ausgleich. Das sollte allein arbeitsrechtlich ein Tabu sein. 16 Prozent der Arbeitsnehmer:innen würden sich das nur für einen begrenzten Zeitraum gefallen lassen. 15 Prozent würden nur deshalb nicht kündigen, weil sie wirtschaftlich gebunden sind. In jedem Fall dürften Zufriedenheit und Produktivität stark leiden. Ebenfalls wird es negative Auswirkungen auf die Stimmung im Unternehmen geben.
- Fehlende Prüfung von Qualifikationen und Referenzen
Auch bei Quiet Hiring muss sichergestellt werden, dass die Kandidat:innen für die neuen Aufgaben ausreichend qualifiziert sind und die neuen Tätigkeitsbereiche kompetent ausfüllen können. Sonst leidet die Produktivität und es kommt zu Überforderung – im schlimmsten Fall mit Arbeitsausfällen durch Burnout oder weiteren stressbedingten Erkrankungen. 50 Prozent der Arbeitnehmer:innen, die Erfahrungen mit Quiet Hiring gesammelt haben, waren der Meinung, dass ihnen die Expertise für das neue Arbeitsspektrum fehle (Monster-Umfrage).
- Übermäßige Diskretion
Wer nicht darüber spricht, welche Stellen intern nachbesetzt werden sollen, der muss sich auch nicht über mangelnde Bewerber:innen wundern. Wenn allerdings klar ersichtlich ist, welche Position offen ist, können Kolleg:innen Empfehlungen aussprechen und sich in die Bewerbersuche einbringen.
- Intransparente Prozesse
Wenn nicht klar ist, wie das Unternehmen Quiet Hiring umsetzt, kommt es zu Misstrauen und Spekulationen. Gibt es überhaupt ein ordentliches Auswahlverfahren, das sich auf Kompetenzen gründet oder zählt bei der Nachbesetzung Vitamin-B? Bekommt man Aufgaben untergeschoben oder werden andere die Karriereleiter hinaufgetragen?
- Tunnelblick
Wer sich nur auf interne Empfehlungen verlässt, riskiert ungewollt im eigenen Saft zu schmoren. Mangelnde Diversität kann Innovationen bremsen, Teams beeinträchtigen und die Unternehmenskultur schwächen. Denn wenn alle einer Meinung sind, muss man sich dann noch weiterentwickeln?
- Fehlende Schulungen
Quiet Hiring verlangt von allen Beteiligten einen wachen Blick und die Bereitschaft, dazu zu lernen. Sowohl die HR-Abteilung, beteiligte Führungskräfte als auch die ausgewählten Kandidat:innen benötigen Schulungen, damit Quiet Hiring effektiv und ethisch eingesetzt werden kann.
Wird Quiet Hiring nicht professionell betrieben – fehlen insbesondere transparente Standard-Verfahren und lässt die kommunikative Begleitung zu wünschen übrig – birgt dieses Recruiting-Modell erhebliche Risiken. Zum einen erleben die Beschäftigten den Job-Trend als gefährlich für ihre mentale Gesundheit, zum anderen verliert der Arbeitgeber zunehmend an Attraktivität. Attribute wie Work-Life-Balance und Fürsorglichkeit wirken nicht mehr authentisch. All das sind K.-o.-Kriterien vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels.
Quiet Hiring als Chance fürs Employer Branding
Die Vorteile von Quiet Hiring für Unternehmen liegen auf der Hand. Da in wirtschaftlich schweren Zeiten das Personalbudget nicht sonderlich locker sitzt, suchen HR-Verantwortliche nach Möglichkeiten der Kostenreduktion. Quiet Hiring spart Kosten für das Recruiting und Onboarding.
Zudem sind bestehende Mitarbeitende mit den Arbeitsabläufen vertraut, was die Einarbeitungszeit verkürzt und schneller zu Produktivität führt. Auch die Investitionen in Weiterbildungen dürften günstiger ausfallen, als bei Neubesetzungen. Insgesamt beschleunigt Quiet Hiring den kompletten Einstellungsprozess.
Soweit zum messbar ökonomischen Aspekt. Allerdings können sich durch Quiet Hiring auch Chancen für das Employer Branding ergeben, wenn ethisch und verantwortungsvoll gehandelt wird.
Sieben Chancen des Quiet Hirings für das Employer Branding:
- Förderung und Weiterbildung
63 Prozent der Mitarbeiter:innen sehen Quiet Hiring als eine Chance, neue Fähigkeiten zu erwerben. 39 Prozent bewerten diese HR-Praktik als Aufstiegsmöglichkeit (Monster-Umfrage). Fördert eure Talente, indem ihr Qualifikationen gezielt durch Patenprogramme und Schulungen erweitert. Wer neue Aufgaben übernehmen soll, muss diese auch bewältigen können.
- Verbesserung der Mitarbeiterbindung
Wenn die „stille Einstellung“ mit einer internen Beförderung einhergeht, fühlen sich eure Talente gewertschätzt. Als Arbeitgeber leistet ihr Unterstützung bei der individuellen Entwicklung.
- Leistungsorientierte Unternehmenskultur
Wenn Mitarbeiter:innen die Chance haben, aufgrund ihrer Leistungen und Fähigkeiten innerhalb der Firma aufzusteigen, sendet ihr die Botschaft aus, dass gute Arbeit belohnt wird.
- Stärkung des Wir-Gefühls und der Unternehmensidentität
Ein Vorgesetzter aus den eignen Reihen im Betrieb wird ganz anders akzeptiert und unterstützt als ein externer Neuzugang, der erst eine Vertrauensbasis schaffen muss. Er trägt die Unternehmenskultur kohärent über verschiedene Führungsebenen weiter, die er aus seiner eigenen Erfahrung bereits kennt. Das stärkt eure Arbeitgebermarke.
- Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit
Wer freie Positionen intern ausschreibt und besetzt, bietet Aufstiegschancen und die Möglichkeit zur internen Neuorientierung. Das steigert die Mitarbeiterzufriedenheit, weil eine einmal eingeschlagene Laufbahn keine Sackgasse darstellt.
- Minderung von Fluktuation
Ihr reduziert das Abwandern von Kernkompetenzen, da eure Mitarbeiter:innen intern Karriere machen können und dafür nicht zur Konkurrenz abwandern müssen.
- Schnelle Besetzung von Schlüsselpositionen
Durch Quiet Hiring kann die Nachfolge von Schlüsselpositionen gezielt vorbereitet und aufgebaut werden. Ihr verhindert lange Vakanzzeiten und präsentiert euch als Unternehmen, das proaktiv und effektiv arbeitet und in Personalangelegenheiten vorausschauend plant.
Praxis-Tipp: verantwortungsvolles Quiet Hiring
Ob Quiet Hiring mehr Chancen oder Risiken für euer Unternehmen bereithält, hängt stark von der internen Umsetzung des Prozesses ab. Ihr könnt eure Arbeitgebermarke damit stärken, wenn die Abläufe transparent sind und die interne Kommunikation professionell flankiert. Wenn ihr in die No-Go-Falle tappt, befeuert ihr Quiet Quitting und werdet Talente verlieren.
Zehn Tipps für verantwortungsbewusstes Quiet Hiring:
- Perspektiven und Chancen aufzeigen
Zeigt realistische berufliche Perspektiven auf, die mit neuen Aufgabenfeldern einhergehen.
- Potenziale erkennen
Fördert Potenziale und sucht keine Lückenbüßer.
- Weiterentwicklung fördern
Bietet Entwicklungs- und Fortbildungsmöglichkeiten an, damit neue Aufgaben ausgefüllt werden können.
- Mental Health und Fürsorgepflicht leben
Achtet darauf, dass es nicht zu Überforderung kommt. Unterstützt durch Schulungen, Feedbackgespräche und klärt die Erwartungshaltung sorgfältig ab: von euch und von euren Talenten.
- Auf Austausch setzen
Fragt eure Mitarbeiter:innen, ob sie für Quiet Hiring zur Verfügung stehen und schiebt ihnen nichts unter. Manche Talente sind durch ihre Rahmenbedingungen (Teilzeit, Care-Arbeit, …) vielleicht gebunden, während andere noch Kapazitäten haben.
- Ausgleich schaffen
Zeigt eure Wertschätzung und euer Vertrauen durch entsprechende Ausgleiche und eine angepasste Vergütung.
- Strategie erläutern
Erweckt nicht den Eindruck, dass ihr wirtschaftlich angeschlagen seid oder schlecht organisiert und mit Quiet Hiring eine Verzweiflungstat begeht.
- Prozess etablieren
Führt einen nachvollziehbaren Prozess für Quiet Hiring ein, der transparent ist. So erweckt ihr nicht den Eindruck von Vetternwirtschaft und ermöglicht aktive Bewerbungen von qualifizierten und interessierten Talenten.
- Verträge anpassen
Wenn die Aufgabengebiete eurer Mitarbeiter:innen sich ändern und neue Verantwortungsbereiche dazukommen, sollten bestehende Arbeitsverträge entsprechend ergänzt werden. Vermerkt die Dauer der Veränderung und eventuelle Gehaltserhöhungen. Das spiegelt eure Professionalität wider.
- Kommuniziert transparent
Ist ein Quiet-Hiring-Prozess erfolgreich abgeschlossen, informiert eure Kolleg:innen über den Wechsel des Verantwortungsbereichs. So verhindert ihr Informationslücken und befördert produktives Arbeiten in den neu geschaffenen Strukturen.
Fazit
Die Auswirkungen des HR-Trendkonzepts Quiet Hiring auf euer Arbeitgeberimage aus Employer Branding Perspektive hängen stark von der Gestaltung eures internen Prozesses ab. Die Begriffsgeschichte lässt sich mit dem Jahr 2018 verbinden, als der Begriff „Quiet Quitting“ populär wurde. Im Gegensatz zu Quiet Hiring übernehmen Mitarbeitende mit der Haltung Quiet Quitting ungern mehr Verantwortung, sondern leisten Dienst nach Vorschrift und halten nicht viel von Überstunden. Und wenn wir schon bei den Buzzwords in Verbindung mit dem englischen Adjektiv Quiet sind: „Quiet Firing“ ist ein Phänomen, das in den sozialen Medien ebenfalls immer stärker thematisiert wird. Dabei werden Mitarbeitende nicht offiziell entlassen, sondern auf das berufliche Abstellgleis geschickt.
Arbeitnehmer:innen sehen sich derzeit also mit verschiedenen Trends und Führungsstilen konfrontiert: gezielter Entwicklung, gezielter Über- oder Unterforderung. All das schlägt sich auf die Stimmung im Unternehmen nieder und beeinflusst die Attraktivität und Glaubwürdigkeit eurer Employer Brand.
Als führende Employer Branding Agentur unterstützen wir Unternehmen dabei, eine positive Unternehmenskultur zu schaffen, die die Mitarbeiterbindung stärkt und das Arbeitgeberimage nachhaltig verbessert. Kontaktieren Sie uns, um zu erfahren, wie wir Ihre Employer Branding Strategie optimieren können.
Unser Tipp:
Geht weg vom „Quiet“! Interne Kommunikation ist in Zeiten der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheit, privaten Herausforderungen und ökonomischen Zwängen unerlässlich, um eure Talente umfassend informiert zu halten und Mitarbeiterbindung zu fördern. So baut ihr eine starke und verlässliche Arbeitgebermarke mit einer attraktiven Unternehmenskultur auf, die im War for Talents bestehen kann.
Als Full Service Kommunikationsagentur mit dem Schwerpunkt Employer Branding beraten wir euch gerne zu allen Themen rund um den Aufbau einer starken Employer Brand und der Umsetzung transparenter interner Kommunikation.
Kontaktiert uns jederzeit:
Katrin Jetter
Senior Consultant
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